1. Juli 2017

Biofilme in chronischen Wunden: Entstehung und klinische Relevanz für die Wundheilung

Autoren

FHH Brill, M Wodrich, S Pahl

Bibliographie

vasomed 4-2017, Seite 172 - 173, Kongress. Der Beitrag beruht auf einem Vortrag beim Deutschen Wundkongress vom 10.-12.05.2017 in Bremen.

Abstract

Biofilme (wörtlich = lebende dünne Schicht) sind Lebensgemeinschaften unterschiedlicher Mikroorganismen. Diese sezernieren extrazelluläre polymere Substanzen (vorwiegend Zuckermoleküle), die die dreidimensionale Matrix des Biofilms bilden (3). Sofern ausreichend Nährstoffe, Wasser sowie eine Grenzfläche vorhanden sind, bilden sich Biofilme. Chronische Wunden erfüllen durch ihr feucht-warmes Milieu, einem ausreichenden Nährstoffangebot sowie dem Wundgrund als Grenzfläche gute Voraussetzungen für die Biofilmbildung. Deshalb sind in circa 60 % der chronischen Wunden Biofilmstrukturen nachweisbar (5). Der Wundgrund ist jedoch keine ideale Grenzfläche, da er zum Beispiel Exsudat sezerniert sowie durch Muskel- und Hautkontraktionen in Bewegung ist. Daher bilden sich im Vergleich zu festen Grenzflächen wie Kunststoffen in Wunden üblicherweise keine besonders schwer zu entfernenden Biofilme.

Mikroorganismen leben vorzugsweise in einem Biofilm, weil sie (6):
- vor Austrocknung und Scherkräften geschützt sind,
- eine bis zu 1000-fach geringere Sensibilität gegenüber antimikrobiellen Wirkstoffen ausbilden können,
- eine verbesserte Nährstoffversorgung haben,
- neue ökologische Mikronischen vorfinden zum Beispiel sauerstoffreiche und -arme Bereiche.

In der klinischen Praxis kann ein Biofilm in der Regel nur durch erfahrene Kliniker diagnostiziert werden. Biofilme stellen sich als schleimige Beläge dar. Grundsätzlich gilt, dass sie wie andere Wundbeläge die Wundheilung stören können, da sie eine chronisch-entzündlichen Reaktion stimulieren (4). Daher ist im Rahmen des Wundmanagements eine Entfernung von Biofilmen anzustreben. Hierfür gibt es verschiedene Möglichkeiten, wobei der Goldstandard die mechanische Entfernung ist. Dies ist in Wunden meist optimal möglich, da sie gut zugänglich sind. Dabei sind Maßnahmen, die zur Entfernung von „Wundbelägen“ wirksam sind, auch für Biofilme effektiv:
- Spülen mit Kochsalz-, Ringer-Lösung oder sterilem Wasser,
- Spülen mit tensidhaltigen, antimikrobiellen Wundspüllösungen,
- mechanisches Wischen in der Regel in Kombination mit einer der genannten Lösungen,
- „scharfe“ chirurgische Maßnahmen oder zum Beispiel Ultraschall-Debridement.
Optimal ist es, Biofilmen und Wundbelägen vorzubeugen durch:
- Spülen mit Kochsalz-, Ringer-Lösung oder sterilem Wasser,
- Spülen mit tensidhaltigen, antimikrobiellen Wundspüllösungen,
- mechanisches Wischen in der Regel in Kombination mit einer der genannten Lösungen.

Die Besonderheit bei der Prävention von Biofilmen ist, dass ein antimikrobieller Wirkstoff in der Wunde der Bildung von Biofilmen vorbeugen kann. Damit kann auch das Risiko für eine Wundinfektion vermindert werden, welches grundsätzlich bei vorhandenem Biofilm aufgrund der hohen Anzahl von Mikroorganismen hoch ist.
Abbildung 1 verdeutlicht, wie der antiseptische Wirkstoff Polyhexanid (PHMB) auf einen Biofilm wirkt (2). Die rot dargestellten toten Zellen zeigen, dass ausschließlich die oberen Schichten des Biofilms erreicht werden, daher kommt der Biofilmprävention eine besondere Bedeutung bei. Hierbei gilt, dass alle Maßnahmen, die zum mikro-biologischen Wundmanagement hilfreich sind, auch gegen Biofilme funktionieren. Abb. 1: Fluoreszenzmikroskopische Aufnahme zur Wirkung von 0,9 % Kochsalzlösung (oben) bzw. 0,02 % Polyhexanid (unten) auf einen künstlichen Biofilm. Durch Polyhexanid werden die Zellen an der Oberfläche des Biofilms abgetötet (grün = lebende Zellen, rot = tote Zellen).

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Reinigung und Infektionsprävention chronischer Wunden essentiell ist. Moderne Reinigung und Infektionspräven¬tion beinhaltet und beherrscht damit die Herausforderung Biofilm. Da Biofilme in chronischen Wunden nicht zu verhindern sind, ist ein erfolgreicher Wundmanager ein Biofilmmanager.

Literatur
1. Brill F, Koca A, Böttrich JG. Behandlung von Wunden mit Prontosan-Wundspüllösung zur Entfernung von Biofilmen und anderen Wundbelägen. Hospitalis 2007;77(7/8):230-231.
2. Eberlein T, Fendler H, Hoffmann M. Ulcus cruris venosum – Prontosan-Lösung oder Standardbehandlung? Die Schwester Der Pfleger 2006;45(9/06):2-4.
3. Flemming HC, Wingender J. Biofilme – die bevorzugte Lebensform der Bakterien. Biologie in unserer Zeit 2001;31(3):169-179.
4. Flemming HC, Wingender J. Was Biofilme zusammenhält. Chemie in unserer Zeit 2002;36(1):30-42.
5. James GA, Swogger E, Wolcott R, et al. Biofilms in chronic wounds. Wound Repair Regen 2008;16(1):37-44.
6. Phillips PL, Wolcott RD, Fletcher J et al. Biofilms Made Easy. Wounds International 2010;1(3).